Schon in meiner Schwangerschaft war mir klar: Ich werde irgendeinen dieser lustigen Babykurse machen. Oft sind sie ja für die Mütter spannender als für die Babys, aber warum soll man nicht auch als Mutter Spaß haben dürfen? Die Auswahl dieser Kurse ist ja recht groß. Klassische Krabbelgruppen, wie ich sie noch von meiner mittlerweile fast 20-jährigen Cousine kenne, gibt es kaum mehr. Aber immerhin noch klassisches Babyschwimmen. Ansonsten jede Menge exotisch klingendes wie Pekip und Pikler und ziemlich viel, was auf die Fitness der Mamas abzielt. Da sieht man joggende Mama-Gruppen mit Kinderwagen oder tanzend-hüpfende Mamas mit Baby in der Trage. Wer die Wahl hat, hat die Qual.
Da ich kein besonders entscheidungsfreudiger Mensch bin, war ich recht froh, dass mir die Entscheidung quasi abgenommen wurde. Dass ich als absoluter Jogging-Hasser nicht mit dem Kinderwagen durch Sanssouci laufen werde, war mir schnell klar. Für alles andere war ich aber recht offen. Meine Nachbarin Franka, die bereits dreifache Mutter ist, schwärmte von den beiden Pikler-Kursen, die sie mit Kind 1 und Kind 2 besucht hatte, und so meldete ich mich mit Marlena, Franka und Kind 3 bei einem Pikler-Kurs hier in Potsdam an.
Was ist ein Pikler-Kurs?
Eines vorab, falls ihr auch auf so komische Ideen wie Stefan kommen solltet: Ein Pikler-Kurs hat nichts, aber auch gar nichts, mit Eis zu tun. Dieses Eis-Sandwich heißt PÜKLER-Eis. 😉 Aber Stefan ist glaub ich immer noch der festen Meinung, dass wir einmal pro Woche Eis essen waren.
Ein Pikler-Kurs müsste eigentlich vielmehr Pikler-Gruppe heißen, denn das Wort Kurs impliziert für mich irgendwie immer, dass man etwas lernt. Pikler ist eigentlich ein Erziehungsansatz, der auf dem Konzept der ungarischen Kinderärztin und Leiterin eines Waisenheims Emmi Pikler basiert. Der Ansatz besteht darin, dass jedes Kind seine Umwelt autonom und in seinem ganz eigenen Tempo entdeckt und dass das Eingreifen von außen, zum Beispiel durch die Eltern, eher hinderlich als fördernd ist. Die Persönlichkeit, Individualität und Eigenständigkeit des Kindes kann sich am besten entfalten, wenn man ihm und seinen Instinkten vertraut und es einfach machen lässt.
Nun meint Emmi Pikler jedoch nicht die Kinder, die einen im Urlaub gern mal zur Weißglut treiben, weil sie absolut keine Regeln und Grenzen kennen und ihren Eltern auf der Nase herumtanzen. Keine Angst. Bei Emmi Pikler geht es vor allem um Babys und Kleinkinder, die langsam die Welt erkunden und merken, dass ihr Körper mehr kann, als einfach nur herumliegen.
Meine Erfahrungen mit unserem Pikler-Kurs
Marlena und ich haben den Kurs begonnen, als Marlena 7 Monate alt war. An sich sagt man, dass man mit 4-5 Monaten mit einem Pikler-Kurs starten kann, ich persönlich finde das aber zu früh. Dadurch, dass wir mit 5 fast gleichaltrigen Babys im Haus schon eine Art Krabbelgruppe hatten, fand ich den Pikler-Kurs ehrlich gesagt bei den ersten Malen nicht sonderlich bereichernd. Marlena lag eigentlich nur da und hat ein wenig mit Baumscheiben gespielt. Doch desto mehr die Kids können, desto spannender wird es für beide Seiten. Als Marlena robben konnte, begann ich immer mehr Gefallen an dem Kurs zu finden und am Ende hängte ich sogar noch zwei Stunden ran. Und Marlena, um die es ja sowieso eigentlich geht, fühlte sich in der Gruppe einfach pudelwohl und es machte einfach riesigen Spaß, sie dort zu beobachten. Doch was passiert eigentlich nun im Pikler-Kurs?
Im Prinzip findet man einen Raum vor, in dem allerlei für die Kinder aufgebaut wurde. Damit meine ich nicht klassisches Spielzeug, sondern eher Alltagsgegenstände wie Rührbesen, leere Schachteln oder auch natürliche Dinge mit besonderer Haptik wie kleine Baumscheiben. Besonders interessant sind aber vor allem die Klettergeräte, von denen unsere Kursleiterin Jutta wirklich tolle Geräte hatte. Ich fand es auch spannend, den älteren Kindern, die bereits um ein Jahr alt waren, zuzusehen. Ich konnte schnell erkennen, dass Kinder einfach sehr instinktiv spüren, wie weit sie gehen können. Und dass es tatsächlich so ist, dass je weniger man sie motiviert, irgendwas zu machen, desto sicherer sind sie in dem, was sie tun. Wir Eltern wollen oft Dinge wie Sitzen, Krabbeln oder Laufen fördern und “helfen” dem Kind dabei. Aber oft ist die Muskulatur noch gar nicht so weit. Und das kann dazu führen, dass das Kind das dann zwar unbedingt machen will, weil es ja gemerkt hat, wie toll das ist, aber dann merkt, es kann noch gar nicht so, wie es eigentlich will. Und dann fällt es zum Beispiel öfter um. Kinder, die später laufen lernen, laufen dann oft zum Beispiel viel sicherer. Falls euch also von außen gesagt wird: “Waaaas? XY läuft noch gar nicht?”, lasst euch bloß keinen Druck machen. Die innere Uhr eures Kindes bestimmt das Tempo. Und genau das habe ich im Pikler-Kurs gelernt.
Eine weitere Sache, die ich dort gelernt habe, ist das Sich-Zurücknehmen und Beobachten. In unserem Kurs haben wir für circa 45 Minuten nicht geredet und die Kinder einfach nur beobachtet. Für so Quasselstrippen wie mich am Anfang erstmal gar nicht so leicht. Doch ich habe schnell gemerkt, wie erholsam das sein kann. Ich habe selbst Energie aus dem Pikler-Kurs gezogen. Und die Kinder einfach nur zu beobachten, ganz in Ruhe, ohne nebenher die Wäsche abzunehmen, oder auch nur in Gedanken woanders zu sein, ist wirklich toll. Das ist etwas, das man zu Hause einfach kaum schafft. Nach dieser “Schweigezeit” war bei uns Zeit, um sich auszutauschen und Fragen zu stellen. Und da kamen oft sehr hilfreiche Antworten sowohl von der Kursleiterin als auch den anderen Müttern.
Ich denke, ich werde irgendwann beim zweiten Kind nochmal einen Pikler-Kurs machen, vielleicht aber auch (noch) etwas Neues ausprobieren. Und wenn ihr in Potsdam wohnt und wissen möchtet, wo ich den Kurs gemacht habe: Wir waren bei Jutta Möhring in den (sehr schönen) Räumlichkeiten von Charlotte Mühlinghaus in der Gregor-Mendel-Straße.