Seit einer Woche ist die Elternzeit vorbei. Marlena geht nun zur Tagesmutter, wenn auch bisher nur circa drei Stunden täglich, da unsere Tagesmutter die Eingewöhnung lieber langsam angeht. In meinem Umfeld habe ich so einige Mütter, denen der Wiedereinstieg und das Loslassen sehr schwerfällt und wenn sie das so erzählen, regt sich tief in mir leise das schlechte Gewissen. Es klopft vorsichtig an und hofft darauf, eingelassen zu werden.
Bevor ich schwanger wurde, war ich fünf Jahre lang selbstständig. Ich habe viel gearbeitet, so begeistert, dass ich währenddessen manchmal vergessen habe zu essen und zu trinken. Und ich habe auch an Wochenenden oder Feiertagen gearbeitet. „Oh, wieder eine von diesen Karrieremüttern.“ Nein, das bin ich nicht, so gut kann ich mich selbst reflektieren. Ich bin auch kein Workaholic. Ich arbeite einfach gern. Ich liebe meinen Job. Ich liebe es, zu fotografieren, Bilder zu bearbeiten, Texte zu schreiben, Projekte zu planen. Es gibt nur sehr wenige Dinge, die ich nicht an meinem Job mag. Sogar Buchhaltung mache ich mittlerweile recht gern. Meine Arbeit ist ein wichtiger Teil meiner Identität , sie macht mir Spaß und bereichert mein Leben .
Als Marlena geboren wurde, habe ich augenblicklich gespürt, dass dieses Muttersein für mich ein wunderbares Gefühl ist. Natürlich nicht 24 Stunden, nicht, wenn Marlena wie am Spieß geschrien und nichts dagegen geholfen hat. Aber ich hatte kein bisschen Babyblues oder irgendwas in der Art. Ich war immer noch „ich selbst“, einfach mit einer zusätzlichen, neuen Seite, die der Mutter. Und da ich immer noch ich selbst war, hatte ich bereits nach wenigen Tagen das Bedürfnis wieder zu arbeiten. Das hatte nichts mit Geldverdienen zu tun. Oder damit, dass ich meine Karrierepläne verwirklichen wollte – dazu bräuchte ich erstmal welche. Ich wollte einfach das weitermachen, was mich so sehr erfüllte. Und das hab ich dann auch getan. Ich habe Blogartikel geschrieben, während Marlena schlief, meist am Handy. Nach einigen Wochen habe ich auch wieder fotografiert.
Doch nach einer Weile schielte ich hinüber zu den Müttern , die zu 100% Elternzeit machten und damit so zufrieden wirkten. Mütter, welche die Elternzeit sogar auf zwei oder drei Jahre ausdehnten. Die einfach „nur noch“ Mama sein wollten. Ich hatte und habe großen Respekt vor diesen Müttern. Und manchmal frage ich mich, warum es mir nicht reicht, mich einfach den ganzen Tag um den wichtigsten Menschen in meinem Leben zu kümmern, den ich über alles liebe? Ich stelle mir dann auch vor, in einem anderen Jahrhundert geboren worden zu sein. In einem Jahrhundert, in dem es ganz selbstverständlich war, dass Frauen ihre Zeit und ihre Energie den ganzen Tag fast ausschließlich Kindern und Haushalt widmeten. Wenn ich mir das vorstelle, dann bekomme ich ehrlich gesagt Gänsehaut.
Aber nur, weil ich da Gänsehaut bekomme, möchte ich in keinster Weise den Einsatz einer Mama in einer langen Elternzeit abwerten. Schließlich kann eine Elternzeit beispielsweise auch eine Auszeit von einem nicht ganz so erfüllenden Job sein. Ich kenne auch viele Mütter, die die Elternzeit als Phase der Umorientierung nutzen. Oder welche, die jeden Tag gemeinsam mit anderen Müttern in einem Café sitzen. Denke ich nun, dass diese Mütter faul und unambitioniert sind, weil sie nicht wie ich das Bedürfnis haben, in ihrem Job zu arbeiten? Einen Teufel tue ich. Denn ich bin mir vor allem auch darüber bewusst, dass es ein Privileg ist, dass ich meinen Job leidenschaftlich gern ausübe. Jede Frau sollte die Möglichkeit haben, ihre Elternzeit so auszuleben, wie sie das möchte. Und ich möchte eben während meiner Elternzeit auch arbeiten.
Ich mag es, mit dem Kinderwagen durch den Park zu fahren, einen Kaffee mit einer anderen Mutti zu trinken, Babysachen zu shoppen und Marlena einfach dabei zuzusehen, wie sie die Welt entdeckt. Doch das allein reicht mir einfach nicht. Nur eine Tatsache hat mir die Möglichkeit gegeben, in meiner Elternzeit nicht nur Mutter und Hausfrau zu sein: der Umstand, dass Stefan ebenfalls zu Hause war und genauso das Bedürfnis hatte, Vater UND berufstätig zu sein. Wir haben uns die Elternzeit quasi geteilt. Klar, durchs Stillen hab ich mich vor allem in den ersten Monaten noch viel mehr um Marlena gekümmert als Stefan. Dafür hat er aber fast komplett den Einkauf und das Kochen übernommen. Und wenn er dann zwei Mal am Tag mit Marlena und Susi spazieren war, konnte ich an den Schreibtisch.
Oft habe ich mich gefragt, ob das nicht auch für viele andere ein erstrebenswertes Familienmodell ist? Stefan hat es sehr genossen, genauso an Marlenas erstem Jahr teilzuhaben wie ich. So geht es doch garantiert auch anderen Vätern? Natürlich ist es bei weitem nicht für alle Paare möglich, das so umzusetzen wie wir. Doch es gäbe mit Sicherheit viel mehr Möglichkeiten, diese Art von geteilter Elternzeit zu fördern. Vom Staat, aber auch von Arbeitgebern. Ich habe mehrmals in meinem Umfeld mitbekommen, dass Väter von Seiten ihrer Arbeitgeber aus keine Elternzeit nehmen durften. Ansonsten wären sie wahrscheinlich ihren Job losgewesen. So etwas dürfte es doch gar nicht geben.
Wenn man die Frau entlastet, indem der Mann mehr in Kinderbetreuung und Haushalt mit eingebunden wird, dann ist DAS für mich Emanzipation. Denn Emanzipation hat doch nie allein nur mit der Frau zu tun. Und wenn mir jemand erzählen will, dass solche Modelle nicht funktionieren können, dann verweise ich gern auf Länder wie Schweden, in denen genau das ausgezeichnet funktioniert.
Marlena wird bald täglich von 8 bis 16 Uhr bei ihrer Tagesmutter sein. Sie fühlt sich dort pudelwohl und wenn ich sie abhole, ist sie ehrlich gesagt interessierter an dem Eichhörnchen auf dem Kalender der Tagesmutter als an mir. Kein überschwängliches „Mama!“, wie man sich das so vorstellt. Ich freue mich darauf, sie dann abzuholen, und mich dann ganz auf sie zu konzentrieren, voll Mama zu sein. Aber dazu, dass ich nicht NUR Mama sein kann, dazu stehe ich mittlerweile.
Bild: Yasmina Aust