“1 Monat ohne TV? Macht doch lieber einen Monat ohne Essen oder atmen, das ist leichter.” Das schrieb uns ein Follower auf Instagram, als wir Ende Januar ankündigten, dass wir im Februar den Fernseher auslassen wollen. Tatsächlich gingen die Meinungen aber sehr auseinander. Die einen zeigten sich eher unbeeindruckt, da sie eh kaum TV gucken, die anderen waren entsetzt. Wir waren einfach gespannt auf den neuen Selbstversuch. Denn wer hier schon länger mitliest, weiß, dass wir es lieben, uns selbst als Versuchskaninchen zu benutzen. Es gibt sogar einen “Selbstversuche“-Tag hier auf dem Blog. 😀 Und tatsächlich haben die meisten Selbstversuche unser Leben langfristig verändert. Und so waren wir natürlich mehr als gespannt, ob Netflix & Co. ab März sozusagen aus unserem “Daily Business” verbannt werden würden.
Warum ein Monat ohne TV?
Patricia: Fernsehen gehört in gewisser Form schon immer zu meinem Leben dazu. Als Kind schaute ich das Sandmännchen und ausgewählte Kinderserien, ab 6 wurde ich dann zum GZSZ-Fan. Meinen ersten eigenen Fernseher bekam ich mit 12 Jahren. Ich denke, damit bin ich ein Durchschnittskind der 90er, was den Fernsehkonsum angeht. Seitdem ich erwachsen bin, gehört das Fernsehen zu meiner abendlichen Routine. GZSZ gehört seit einigen Jahren nicht mehr dazu, dafür schauen Stefan und ich jetzt Serien auf Netflix und Amazon Prime und ab und zu auch mal einen Film. Nicht an jedem Abend, aber an den meisten Abenden. Ich würde behaupten, wir sind dahingehend konditioniert, dass wir das Schauen einer Serie mit Entspannung verbinden. “Normales” Fernsehen ist bei uns jedoch mittlerweile ein Ausnahmephänomen. Bis auf Let’s Dance schauen wir bzw. ich wirklich höchstselten etwas im TV-Programm. Welche Werbespots gerade laufen? Keine Ahnung.
Irgendwann dachte ich mir jedoch, dass die wertvolle Zeit, die man abends hat, doch etwas zu schade ist, um sie einfach nur vor dem Fernseher zu verbringen. Was könnte man nicht anderes Tolles in dieser Zeit machen! Nähen, Fotoalben kreieren, lesen und so weiter und so fort. Doch so oft ich mir das auch vorgenommen hatte, am Ende landeten wir doch wieder vor der Glotze. Und genau deshalb wollte ich einen Monat Pause machen.
Stefan: Meine Generation war definitiv die erste, bei der das Fernsehen zum Aufwachsen dazugehörte. So wie heute alle im “Social Media Life” unterwegs sind, waren für uns “Mila Superstar”, “Die Gummibärenbande” und andere Standardprogramm. Samstagmorgen nach dem Aufstehen die Kinderserien schauen, war doch Pflicht.
Als Kinder hatten mein Bruder und ich schon einen eigenen Fernseher, der natürlich nicht immer an sein durfte, doch was war das für ein Gefühl, endlich selbst zu entscheiden, was man schaut, ohne dass die Erwachsenen bestimmen. Während meiner Jugen, habe ich neben dem PC Spielen (Fußballmanager rocks!) den Fernseher immer am Laufen gehabt, obwohl ich gar nicht richtig hingeschaut habe. Doch mit zunehmendem Alter und der guten alten Ausgehzeit hat sich das schnell relativiert, da man sowieso gefühlt nie zu Hause war. Auch in den Jahren mit Patricia bin ich nie wieder diese riesige Fernseheule geworden, die ich früher war. Irgendwann haben wir auch für uns festgestellt, dass nur noch Plunder im Fernsehen kommt und irgendwie ging und geht es nur noch darum, den “dümmsten” Mist, den Leute machen können, zu filmen und im Free-TV zu zeigen. Vom “Dschungelcamp”, über “Familien im Brennpunkt” bis hin zu “Berlin” und “Köln 4.332222″…
Doch dann kam dieses blöde Netflix in unser Leben und wir mussten feststellen, dass wir doch echt vernarrte Serienfans sind. Die Qualität an Unterhaltung, die meiner Meinung nach im Free-TV mehr als stark nachgelassen hat, bekommt man hier definitiv geboten. Für uns natürlich der Untergang und irgendwann hatten wir das Gefühl, doch mit der wenigen Zeit, die wir am Abend haben, noch einmal etwas anderes anfangen zu wollen, als nur die nächste Folge zu schauen. Denn seien wir mal ehrlich, meist ist es doch Bequemlichkeit. Und ich wollte wissen, wie es sich ohne anfühlt, die gewisse Beschallung einfach mal wegzulassen und sich neuen Dingen zu widmen.
Das waren die Regeln
Die Regeln waren eigentlich ganz simpel. Den kompletten Februar durften wir den Fernseher nicht einschalten und natürlich auch keine Filme oder Serien auf dem Handy oder anderen elektronischen Geräten schauen. Arbeiten durften wir abends nur in Ausnahmefällen, Entspannung musste ja in gewisser Weise trotzdem sein. Wir nahmen uns vor, unseren “1 Monat ohne TV”-Selbstversuch dann jeden Abend auf Instastories zu dokumentieren.
Als Vorbereitung machten wir übrigens Listen, was wir denn alles an den Abenden machen könnten und auch ihr habt uns auf Instagram Input geliefert. Das kam dabei raus.
So lief der Monat ohne TV
Patricia: Der erste Abend begann direkt damit, dass ich einen eurer Vorschläge umgesetzt habe. Ich bin früh schlafen gegangen. Obwohl ich vorher noch sehr motiviert war, irgendwas Produktives zu machen, kam noch vor 22 Uhr der Hammer und der Tag war für mich vorbei. Und ich muss ehrlich sagen, dieser erste Abend repräsentiert eigentlich wunderbar das Ergebnis des kompletten Selbstversuchs. Nein, keine Angst, ich bin nicht jeden Tag vor 22 Uhr ins Bett gegangen. Aber bei mir ist abends meistens die Luft raus. Marlena schläft, wenn sie in der Kita Mittagsschlaf macht, sehr selten vor 21 Uhr und wenn ich dann schon mindestens eine Stunde im Bett gelegen habe, bin ich nicht mehr für viel zu gebrauchen. Deshalb wurde mir schnell klar, dass unsere Listen dezent überambitioniert ausgefallen waren.
Doch es gab Dinge, zu denen konnten wir uns fast jeden Abend problemlos aufraffen. Bei mir war es das Lesen, was ich im Februar definitiv mehr gemacht habe, fast jeden Abend ein bisschen und zusammen haben wir viel gepuzzelt. Wir haben unser 1000-Teile Puzzle fast bis zum Ende geschafft und es hat mir wirklich Spaß gemacht. Ansonsten haben wir zwei Mal allein gespielt (“Zug um Zug” und “Backgammon”) und insgesamt fünf Abenden saßen wir mit Nachbarn und/oder Freunden zusammen und haben gespielt oder einfach nur gequatscht. Zweimal hatten wir auch einen Babysitter und durften das Haus verlassen. 😀 Einmal waren wir bei der Show von Wladimir Kaminer und einmal zur Vernissage einer Fotoausstellung. Und dann gingen noch drei Abende für Marlenas Faschingskostüm drauf. Wir haben auf ihren Wunsch hin nämlich ein Schnecken-Kostüm gebastelt – hauptsächlich aus Packpapier und Wolle.
Von meiner Liste habe ich nicht allzu viel abgearbeitet. Ich habe einige private Bilder bearbeitet, aber das mit einem traurigen Hintergrund, den euch Stefan gleich erklärt. An einem Abend habe ich außerdem unsere Schottland-Reise geplant. Leider umsonst, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat. Denn wegen Corona wird die Hochzeit, wegen der wir nach Schottland geflogen wären, verschoben. Den Beautyabend habe ich nur halb durchgestrichen, weil ich zwar drei Mal in der Badewanne lag, aber das war es dann auch. 😀
Und dann stellt sich natürlich noch die Frage, ob ich Netflix & Co. vermisst habe. Ja. Nicht richtig schlimm, aber es gab schon ein paar Abende, an denen ich mich gern einfach aufs Sofa gehauen und eine Serie geguckt hätte. Alles andere wäre gelogen.
Stefan: Der Monat ohne Serien und Filme schauen fing wahrlich nicht gut an. Denn gleich am Anfang der ersten Woche habe ich vom Tod meines Opas erfahren, der mich doch sehr aus der Bahn geworfen hat. Als Kind und Jugendlicher war mein Opa schon ein gewisser Vaterersatz (ich habe ja leider meinen Vater verloren, als ich noch nicht einmal 3 Jahre alt war) und daher brauchte ich schon eine gewisse Zeit, um damit klarzukommen. Deshalb gab es auch eine ungeplante Fahrt in die Heimat zur Beerdigung, verbunden mit zwei Abenden bei meiner Mutter, bei der meistens im Hintergrund der Fernseher dudelt. Oft komme ich bei meiner Mutter an und stelle ihn dann sofort aus 😀 . Doch an den Abenden lief er für meine Mutter. Patricia hat in der Zeit gelesen und ich habe gearbeitet, ohne einmal auf den Fernseher zu schauen, versprochen 😉 .
Ansonsten habe ich viele Abende in mein Training investiert (an Übungen gearbeitet, die ich noch nicht perfekt beherrsche ;-)) und habe sogar Patricia einmal zum Trainieren bekommen. An den anderen Abenden haben wir meist gepuzzelt. Das ist definitiv eine neue Leidenschaft, die wir entdeckt haben oder besser reaktiviert haben. Ich konnte mich an manchen Abenden gar nicht davon lösen. Das war wie Meditation, so sehr konnte ich dabei abschalten. Von meiner vorgenommenen Liste habe ich kaum Punkte wegstreichen können. In die Sauna konnte ich nicht gehen, da ich oft abends auch Termine hatte (Unerhörterweise haben die Saunaanbieter in Potsdam nur bis 22 Uhr auf, da hätte sich das für 30-45 Minuten gar nicht gelohnt 😀 ) .
Ich hatte während dieser Zeit das Gefühl, dass mir generell nichts gefehlt hat und mir das auch nichts ausmacht, auf Netflix und Amazon Prime zu verzichten. Auch als ich ein paar Tage gekränkelt habe, war das Verlangen Serien zu schauen, gar nicht richtig da.
Hat sich etwas geändert?
Patricia: Ein Monat ist vergangen seit dem Ende des “1 Monat ohne TV”-Selbstversuchs. Und wir sind wieder total im Serien-Modus. Ist das eine Enttäuschung für mich? Jein. Insgeheim wünsche ich mir schon, abends noch etwas produktiver zu sein. Aber oft fehlt einfach die Energie. Derzeit ist es teilweise etwas besser, da Marlena ja nun wie alle Kinder zu Hause ist und hier keinen Mittagsschlaf macht. Jetzt schläft sie meist gegen 20 Uhr und man hat manchmal noch etwas mehr Energie übrig. Doch diese Energie wird derzeit natürlich fürs Arbeiten benötigt, weil wir tagsüber nicht so viel schaffen, wie wir gern würden. Ansonsten stehe ich jetzt einfach dazu, dass wir kleine Serienjunkies sind – ich denke, es gibt schlimmere Laster. 😉 Das einzige, was ich wirklich schade finde, ist, dass wir überhaupt nicht mehr weitergepuzzelt haben.
Stefan: Im März hatten wir uns ja vorgenommen, das ein wenig mehr fortzuführen, doch das hatte sich ja dann auch schnell erledigt, durch die aktuelle Situation. Derzeit sieht es so aus, dass einer abends Marlena ins Bett bringt, während der andere arbeitet und dann wird noch eine Folge geschaut, bis Patricia is Bett geht und ich wieder an den Laptop und arbeite. Doch gerade während ich diesen Artikel schreibe, denke ich, dass ich endlich das Puzzle schaffen will 😀 .